Von Dr. Boris Oberheitmann.
Start-ups sind das Lebenselixier einer zukunftsfähigen, agilen Wirtschaft und sollten im Fokus der GRÜNEN Wirtschaftspolitik stehen
Es mag sich die Frage stellen, warum der Staat sich bei der Förderung von Start-Up Unternehmen engagieren soll. Welche gesellschaftliche Funktion füllen Start-Ups aus, die beispielsweise schon lang etablierte nicht erfüllen? Können Start-Ups dazu beitragen, große Unterschiede in der Chancengleichheit zu minimieren? Kann ein Klima von Gründergeist, die notwendige Transformation der Wirtschaft voranbringen?
Innovation und Transformation durch Start-Ups
Die Start-Ups der letzten 25 Jahre sind wichtige Treiber von Transformationen und auch oft Disruptoren von bestehenden traditionellen Geschäftsmodellen. Eigentlich sind große Unternehmen wenig innovativ. Bestes Beispiel ist die Firmen BioNTech (2008) und ModeRNA (2010), die uns allen bald ein annähernd normales Leben ermöglichen. Pfizer ist auf den Zug aufgesprungen. So wie es oft geschieht, wenn die erste riskante Phase von Neugründungen überwunden ist. Große Unternehmen gehen Kooperationen mit Start-Ups oder jungen Unternehmen ein, weil echte Innovation häufig nicht in den Entwicklungsabteilungen gerade der großen Pharmaindustrie passiert.
Der Impfstoff gegen SARS-CoV 2 ist das erste zugelassene Medikament der 2008 gegründeten Firma. Die RNA-basierte Therapie von Krebs und jetzt auch der Impfstoff sind Therapieformen, die disruptive Veränderungen der Medizin darstellen, die aus Ergebnissen der jüngsten Forschung stammen. Ich vermute der nächste Medizin-Nobelpreis geht an die Erfinder der mRNA Impfung. Für die großen Pharmaunternehmen sind die neuen Entwicklungen eine willkommene Quelle von Innovationen, nur sind es die Start-Ups, die solche Dinge vorantreiben und nicht die großen Etablierten. Ähnlich ist es im IT-Tech Bereich, wo dann Plattformen, wie WhatsApp von Facebook aufgekauft wurden. Es ist das amerikanische Start-Up Aptera, welches das erste Auto auf den Markt bringt, das 1600 km Reichweite vollelektrisch hat mit einer Karosserie-Oberfläche von Solarzellen. Diese können die Energie für 50 km Fahrt am Tag liefern. Warum entsteht so ein Produkt nicht bei den führenden Automobil-Konzernen sondern in einem Start-Up?
Die Beispiele zeigen, es kommt den Start-Ups eine besondere Rolle bei der Transformation hin zu neuen Lösungen zu. Aber es geht nicht nur um Technologie Start-Ups. Auch in anderen Bereichen, sind es oft die Start-Ups, die etwas neu machen und so einen eine Veränderung herbeiführen, die die Gesellschaft voranbringen. Das können eigentlich recht simple Ideen sein, die dazu beitragen und doch große Wirkung haben. Ich denke da beispielsweise an eine Unternehmerin, die am Weser-Radwanderweg mit einem Lasten-Fahrrad ein mobiles Café betreibt, wo regionale Produkte angeboten werden. So kann das Radwandern ein kleines Stück attraktiver gemacht werden.
Warum soll Steuergeld für privatwirtschaftliche Unternehmungen ausgegeben werden?
Wenn es die Start-Ups sind, die die notwendigen Veränderungen voranbringen, dann muss ein Staat, der die Transformation der Wirtschaft will, auf die Start-Ups setzen. Das gilt nicht nur für den Gesundheitsbereich, sondern auch für den Energiebereich, die Mobilität und auch den Tourismus. Alle für den Klimaschutz nötigen Transformationen werden, aus meiner Sicht, wohl eher von Start-Ups vorangebracht als von großen Dinosauriern, die tief in den fossilen Technologien stecken. Für die wird es schwer, sich dem Aussterben zu entziehen. Das gelingt nur, wenn die Weichen rechtzeitig gestellt werden. Dies muss aber ebenso unterstützt werden, um den Unternehmen und deren Beschäftigten eine Perspektive zu bieten. Da wo das Unternehmen auf einem absterbenden Ast sitzt, muss auch hier rechtzeitig agiert werden und eine neue Gründungswelle in solchen Regionen angestoßen werden, die sehr stark in der fossilen Wirtschaft verankert sind. Es bringt nichts, für die Kohlearbeiter in der Lausitz, den notwendigen Wandel zu verzögern. Die Menschen dort brauchen neue Perspektiven und nicht die Verlängerung eines Weges, der kein Ziel mehr hat.
Dass Start-Ups oft aufgekauft werden, mag man bedauern, besonders, wenn es darum geht die Chance für Eigentümer*innen geführten Unternehmen in den Regionen zu fördern, damit Entscheidungen nicht fern dieser Regionen in den Konzernzentralen stattfinden, weit entfernt von den Orten, wo die Gründung stattgefunden hat. Das ist aber häufig der Gang der Dinge. Es ist aber auch eine Infusion für die großen etablierten Unternehmen mit frischen Ideen und neuen Lösungen, die insgesamt auch hilfreich sein kann.
Dort wo Eigentümer*innen geführte Unternehmen erfolgreich sind, profitieren oft die Regionen auch davon. In großen Unternehmen werden die Steuern oft an anderen Standorten gezahlt und manchmal auch in Europäischen Steueroasen. Die Stärkung von Unternehmen nach der Start-Up Phase wäre hier wichtig. Nur fehlt es oft dann an Risiko-Kapital, um eine weitere Entwicklung zu finanzieren. Hier gibt es großen Handlungsbedarf für die Regionen.
Chancengerechtigkeit
Wenn es so wäre, dass jede und jeder, ein Unternehmen Gründen könnte, wenn es eine gute tragfähige Geschäftsidee gibt, ohne dass schon privates Kapital z.B. aus der Familie vorhanden ist, würde das zusammen mit gleichen Bildungschancen zu einem erheblichen Maß zur Chancengerechtigkeit beitragen. Das Prinzip, „der Deibel scheißt immer auf den großen Haufen“, wie es mein Großvater ausgedrückt hat, wäre damit aufgeweicht. Mit einer guten Idee im Kopf, einem neuen Gründergeist, ja einer neuen Gründungskultur könnte es geschafft werden, ein Wohlstandsversprechen auch für nicht-betuchte Menschen Wirklichkeit werden zu lassen. Eine Gründung, die auf einer guten Ausbildung basiert, wäre dann möglich, ohne dass man gleich Haus und Hof, die meistens nach einer Ausbildung nicht vorhanden sind, für eine Unternehmensgründung zu verpfänden.
Dies bräuchte eine Kultur, die unternehmerische Risikobereitschaft wertschätzt und hierfür Kapital bereitstellt. Im Silicon Valley gründen 30% der Absolventen der Universitäten ein Unternehmen. In Niedersachsen sind es unter einem Prozent. Es scheitern auch viele der 30% im Silicon Valley. Aber, das ist dort nicht so negativ konnotiert, wie bei uns.
Es braucht öffentlich bereit gestelltes Risiko-Kapital. Hier könnte eine höhere Erbschaftssteuer für sehr große Vermögen ansetzen, um einen Chancenausgleich zu schaffen. Auch die steuerliche Besserstellung von Erträgen aus privat bereitgestelltem Risiko-Kapital für junge Unternehmen gegenüber anderen Kapitalerträgen, könnte helfen, Kapital von reinen Börsen- oder Immobilienanlagen in kleine Unternehmen zu leiten.
GRÜNE und das Gründer*innen Mind-Set
Gründer*innen sind Personen, die in hohem Maße bereit sind, das eigene Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und Risiken einzugehen, um Dinge zu verändern. Fremdbestimmte Bahnen eines lohnabhängigen Arbeitsverhältnisses werden verlassen, um eine Idee umzusetzen, die oft damit verbunden ist, dass eine neue Lösung für ein Problem Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit ist. Und wenn es nur eine coole, neue Eckkneipe ist, für die ein Bedarf gesehen wird. Es ist eine gewisse Transformationsbereitschaft mit der Unternehmensgründung verbunden.
Dieses Gründer*innen Mind-Set passt auch in gewisser Weise zu den GRÜNEN, die die einzige Partei sind, die eine Transformation umarmen und Dinge verändern wollen.
Daher passt das GRÜNE und das Gründer*innen Mind-Set gut zusammen.
Wir setzen auf die Veränderung und wollen eine echte Transformation herbeiführen. Dies tun wir, ohne dabei Menschen zurück zu lassen, die in bestimmten Bereichen ihre Arbeitsplätze verlieren und sich neu orientieren müssen.
Im November 2019 berichtete der Deutsche Start-up Monitor, dass 43,6 Prozent der Befragten Start-Up Unternehmen angaben, sie würden Bündnis 90/Die Grünen wählen – das sei ein Zuwachs von 21 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Leider ist der Wert in 2020 auf 37% gesunken. In 2020 stehen wir vor der CDU die 28,1 % (Vorjahr 11,7 %) hat und der FDP mit 20,0 % (Vorjahr 27,7 %). Die SPD ist eigentlich bedeutungslos in der Start-Up Szene mit 6,9 % (Vorjahr 4,9%). Die Tatsache, dass GRÜNE immer noch deutlich stärkste Kraft bei den Start-Up Unternehmer*Innen sind, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass GRÜNE sich mehr um die Start-Up Unternehmen kümmern müssen.
Dr. Boris Oberheitmann ist Molekularbiologe. Er ist Vorstand im Kreisverband Verden und Delegierter Niedersachsens in der Bundesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen von Bündnis90 / DIE GRÜNEN. Er hat 2003 ein Biotechnologie-Unternehmen gegründet und dies 2018 verkauft. Heute ist er Leiter einer Entwicklungsabteilung in einem großen Analytik- und Diagnostik-Unternehmen.