Ideen für den Ausbau des ÖPNV auf dem Land

Der Ausbau des ÖPNV auf dem Land ist eine große Herausforderung. Positive Akzente konnten in den letzten Jahren beispielsweise durch den Ausbau von Landes-/Expressbuslinien sowie den On-Demand-Verkehr gesetzt werden.

Folgende Sachverhalte tragen dazu bei, dass der ÖPNV-Ausbau auf dem Land deutlich schwieriger ist als in dicht besiedelten Gebieten:

  1. die erforderliche Bündelung von Verkehrsströmen liegt nicht vor oder ist nicht bekannt
  2. die Abstimmung des gewünschten ÖPNV-Angebotes auf die betrieblichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten erfordert neue Ideen und Kommunikationsbereitschaft
  3. die Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist nicht klar geregelt

Identifikation ausreichend großer Verkehrsströme

Durch die Analyse von Bewegungsprofilen aus Mobilfunkdaten können hier neue Erkenntnisse zur räumlichen und zeitlichen Verteilung der Mobilität gewonnen werden. Durch die Identifikation starker Verkehrsströme im Tages- und Wochenverlauf können Ideen für neue ÖPNV-Linienführungen  entwickelt werden.

Betriebliche und wirtschaftliche Chancen des ÖPNV nutzen

Die heutigen ÖPNV-Angebote auf dem Land sind in hohem Umfang vom Schülerverkehr geprägt. Die Busse werden somit überwiegend für kurze Verkehrsspitzen zum Schulbeginn und am Nachmittag genutzt. In der übrigen Zeit stehen die Fahrzeuge ungenutzt auf den Betriebshöfen, die Fahrer benötigen weitere Jobs, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Eine längerfristige Auslastung über den gesamten Tag würde die Anschaffungskosten der Fahrzeuge auf eine höhere Kilometerleistung verteilen und damit die Kosten je Fahrzeugkilometer senken. Außerdem würden die Arbeitszeiten für Busfahrer attraktiver, da sie länger eingesetzt werden können und damit mehr verdienen können. Diese Rahmenbedingungen sollten mitbedacht werden, wenn neue ÖPNV-Angebote auf dem Land entwickelt werden. Gerade für den Einkaufs- und Freizeitverkehr bieten sich damit neue Möglichkeiten, sachgerechte ÖV-Angebote zu entwickeln.

Stündliche Verkehrsangebote an jedem Wochentag sind auf wichtigen Hauptachsen sinnvoll, aber ggf. nicht überall erforderlich. Wie wäre es, wenn Teile des Landkreises ein- oder zweimal die Woche an die lokalen Zentren angebunden werden und damit eine regelmäßige wöchentliche Anbindung für kleinere Orteschaften sichergestellt wird?

Nach 25 Jahren Erfahrung mit dem Regionalisierungsgesetz zeigt sich, dass die Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen für den ÖPNV überdacht und konkretisiert werden muss. Insbesondere ist die Zuständigkeit für alle Verkehrsströme zu überdenken, die Kreisgrenzen überschreiten. Diese Verkehrsströme könnten in hohem Umfang mit Buslinien bedient werden. Bislang ist außerhalb der Verkehrsverbünde die Aufgabe der Länder für diese Verkehrsangebote nicht eindeutig geregelt. Eine neue Aufgabenteilung zwischen Ländern und (Land)Kreisen bzw. Landesnahverkehrsorganisationen, Verkehrsverbünden und lokalen Aufgabenträgern ist zu entwickeln, um eine sachgerechte Zuständigkeit für diese ÖV-Angebote festzulegen. Vielleicht können wir hier vom Straßenverkehr lernen, auch dort wird nach Kreis-, Landes- und Bundesstraßen unterschieden. Ich verweise hierzu auf unseren Artikel „ÖPNV-Ausbau – Finanzierung und Organisation als Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen“ in „Der Nahverkehr 5/2022“.

Jochen Sauer
November 2022